Inside Tokyo #11

19.11.2001 

Tokyo Motor Show - Japaner und Autos
 
Vor vier Wochen durfte ich zusammen mit meinen Kollegen übers Wochenende ins Trainings Camp am Fuße des Fuji-san.

In einem staatlichen Ferienzentrum mit leicht sozialistischen Hauch, zumindest was die Farbgebung und Gebäudegestaltung anging, zogen wir eine realistische Fallbesprechung durch, wobei uns auch sonniges, kaltes Wetter von nichts abhalten konnte. Für mich besonders frustrierend war nur, das bei den ca. 100 Power Point Slides natürlich alles in Stichwortjapanisch mit Kanjis geschrieben war (ist eigentlich normal), so dass ich vom Kontext auch nicht die geringste Chance auf die detaillierte Bedeutung schließen konnte. Ich kam mir vor, als ob mein Gehirn noch im Alter der 3-86er Prozessoren zurückgeblieben war: Der Speicher lief über. Das war wirklich etwas zu hart, schließlich standen wir ja auch immer unter Zeitdruck, was soviel hieß, wie in 30 Minuten Analysieren, Entwickeln und Präsentieren. Meine Kollegen waren aber alle sehr nett, und fragten gelegentlich nach, wie viel ich verstehen würde. Inzwischen sind auch ein paar Bilder auf der Corporate Homepage zu sehen, Ihr könnt mich also bei Interesse unter http://www.adl.co.jp/ng3.html (ganz unten) betrachten. Allerdings ist die Homepage ganz Japanisch, so dass der Text auf einem mitteleuropäischen PC wahrscheinlich nicht zu lesen sein wird.

Der Hammer war aber, das morgens um 7 Uhr am Sonntag die Morgenzeremonie stattfand, bei der alle Bewohner des Ferienzentrums, darunter zahlreiche Volleyball Teams, "aufmarschieren" durften, und mir dann die Ehre zu Teil wurde, im Angesicht des Fuji zur Nationalhymne die japanische Flagge hochziehen zu dürfen. Was für eine Ehre nach 3 Stunden Schlaf. Natürlich dürfte ich mich bei der Gelegenheit mit dem schnurlosen Mikrofon (wie überall üblich in Japan) gleich noch vor allen Gästen des Zentrums selbst vorstellen, bevor wir alle zusammen Morgengymnastik zu Musik und Anweisung aus dem Lautsprecher gemacht haben.

Auch wenn es eigentlich wesentlich schneller und billiger gewesen wäre mit der Bahn zu fahren, so nutzen meine Kollegen das Wochenende doch alle zu einer Ausfahrt mit dem Auto, ohne die Autobahngebühren jenseits der 100 DM für eine 80km Strecke zu scheuen, für die wir übrigens wegen Staus dann doch über zwei Stunden gebraucht haben. Gelächelt haben dabei trotzdem alle, die einen, weil sie mal wieder Autobahn fuhren, die anderen nur wegen des Mitfahrens. Aber überhaupt scheint das Auto eine Faszination besonderer Art auf die Japaner auszuüben, denn dieses magische Lächeln war überall auf der Autobahn zu sehen, ja förmlich zu spüren.

Dies und die entsprechenden Presseberichte nahm ich dann auch zum Anlass, mir die Tokyo Motor Show anzusehen, von der ich heute kurz berichten möchte:

Eine Automesse in Japan dachte ich mir als ich ein paar Bilder im Fernsehen sah. Da ich mich ja ein bisschen für Autos interessiere habe ich mich also samstags auf nach Chiba zur Makuhari Messe gemacht. Messe heißt im Japanischen übrigens auch Messe, das ist mal wieder sehr praktisch.

Im Vergleich mit Messegeländen wie Hannover oder Frankfurt ist die Makuhari Messe sehr klein, im Wesentlichen bestand sie aus zwei Hallen. Diese waren dann mit Ständen der Autohersteller so vollgestopft, dass man kaum ein Auto ganz fotografieren konnte, weil zu wenig Platz war. Überall standen Leute, pro Tag kamen ca. 100.000 Besucher um Ihrer Leidenschaft nachzugehen. Erstaunlicherweise waren dabei auch sehr viele Frauen, und sie waren es, die sich wirklich für die Autos zu interessieren schienen, zumindest erkundigten sie sich immer fachkundig und nahmen die spärlich vorhandenen Prospekte mit.

Die Männer dagegen schienen einen anderen Aspekt der Tokyo Motor Show wesentlich interessanter zu finden, was vielleicht auch erklärt, dass diese Messe weniger von Paaren besucht wird: Sie versuchten die Autos mit ihren Kameras richtig ins Licht zu setzen. Genauer gesagt standen dabei aber die Hostessen, oder besser Models im Mittelpunkt, die mit sehr viel Geduld an den Autos lehnten um zu warten, bis das Blitzlichtgewitter abflaute. So überboten sich nicht nur die Hobby- (oder vielleicht doch Profi-) Fotografen mit teurem Equipment, auch die Autohersteller versuchten alle durch aufwendige und recht knappe Bekleidung der Girls die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Interessant waren dabei die unterschiedlichen Strategien. Natürlich war diese Messe ein Heimspiel für die japanischen Hersteller, die alle Schönheiten Japans zusammengetrommelt hatten, um ihre neuesten Modelle zu präsentieren. So rief zum Beispiel Honda zur halbstündlichen Show, bei der die Moderatorinnen sogar abhoben und an der Decke aufgehängt über den Stand "flogen". Auch General Motors und Ford spielten diese Spiel gut mit, verließen sich dabei treffsicher auf lokale Schönheiten. Volkswagen verfolgte eine andere Strategie, dort standen ausnahmslos europäische, zumeist blonde Frauen bereit, um die Autos zu Umrahmen. Schade nur, dass die Bekleidung so wenig figurbetont war. Als Negativbeispiel muss ich hier leider DaimlerChrysler erwähnen, die bei den Mercedes anstatt lächelnder Hostessen nur einen Security-Mann aufgestellt hatten, was dem Zuschauerinteresse aber kaum einen Abbruch tat. Das Motto "The Story of Passion" schien hier anders verstanden zu werden. Bei Chrysler dagegen lächelte einem schon wieder eine nette Dame entgegen, während sie am neuen Geländewagen lehnend sich auf dem Teller drehte. Überhaupt hatten die Damen das Lächeln so trainiert, dass beim Fokussieren mit der Kamera der Blickwinkel eingefroren wurde und sogar ein Augenblinkern unterdrückt wurde. Es war wirklich ein Festival für die japanische Fotoindustrie, für die dieses Ereignis eigentlich geschaffen zu sein schien.

Nun, diese Mischung aus Autos und ungenierter Frauenschau scheint in Japan derart beliebt, dass man im "Business Center" gleich die Digitalbilder auf metergroße Plakate vergrößern lassen konnte, gegen eine "geringe" Gebühr versteht sich. Auf dem ganzen Stand war aber nicht ein Bild ohne Frau zu sehen. Auch Bücher mit allen Damen eines Jahres und Kalender sollen bereits im Verkauf sein.

Nachdem ich nun soviel mysteriöses erzählt habe, will ich Euch nicht weiter aufhalten, auch ich habe mich ein wenig von den Autos abgewendet und lade ein zum Exklusivenbilderreport "Best of Tokyo Motor Show" unter :

 
Hier gibt es die Bilder zur Geschichte.

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