Inside Tokyo #13

15.09.2002 

Showdown in Shinjuku-Kabukicho
 
Im Mittelpunkt steht heute das Tokyoter Nightlife in Shinjuku-Kabukicho. Auch hierzu gibt es natürlich ein Bilderalbum online, dass unter http://www.grieger.net/fs/fs-shinjuku.htm zu sehen ist. Shinjuku ist nicht nur eines von mehreren Stadtzentren der Metropole Tokyo, sondern beherbergt mit dem Viertel Kabukicho auch eines der größten Vergnügungsviertel, vergleichbar mit St. Pauli. Dieses Viertel füllt ein Planquadrat nordöstlich des Shinjuku-Bahnhofs und zählt nur 3000 Einwohner. Doch jeden Abend füllen sich die Kneipen (Izakayas), Clubs und nicht zuletzt Lovehotels so sehr, dass sich ca. 400.000 Leute in diesem Viertel vergnügen. Meine besondere Beziehung zum Kabukicho rührt nicht etwa aus exzessiven Besuchen der diversen Dienstleistungen sondern schlicht und einfach aus der Tatsache, dass ich nörtlich davon zwei Jahre lang gewohnt habe und auf dem Weg zum Bahnhof jeden Tag zweimal diese Glitzerwelt durchquert habe.
Die Häuser sind bunt mit zahllosen Neon-Leuchtreklamen gepflastert, die zu allen möglichen Vergnügen einladen und das tagsüber etwas schäbig wirkende Kabukicho des Nachts in ein helles und lautes Gewusel verwandeln. Auf den Strassen fahren fast ausschließlich Taxis, die Hostessen bringen, Salarymen abholen oder einfach nur auf Kundenwarten, so dass der Verkehr die ganze Nacht über nicht zur Ruhe kommt. Auf den Gehwegen kann man ab ungefährt 18/19 Uhr Gruppen von Angestellten in Ihren dunklen Anzügen beobachten, die zusammen mit ihren Kollegen verschiedene Clubs aufsuchen. Dazwischen stehen die schmalzigen Werber der Etablissements, die einem abgegriffene Broschüren entgegen halten mit Sprüchen wie "Mista, Mista, intaneschonaru topulessu-ba", meistens sind sie ebenfalls in schwarzen Anzügen gekleidet, tragen dazu aber auch noch dunkle Hemden. Zwischen diesen Scharen von Männern sieht man perfekt kostümierte Hostessen genauso wie Damen im Kimono auf ihren Pantoffeln dahinschlurfend - ziemlich sicher aber ebenfalls Dienstleisterinnen. Aber wohin sind diese Menschenmengen unterwegs, was ist das Vergüngen, dass die Japaner so lieben?
Im folgenden möchte ich bei einem virtuellen Rundgang einen Überblick über die diversen Angebote geben, von denen so manche in Deutschland fehlen. Angefangen sei mit den normalsten Sachen, die jeder kennt. So gibt es im Kabukicho neben Kinos natürlich jede Menge normale Kneipen (Izakayas), in denen abteilungsweise der Feierarbend begossen wird. Ob preiswert oder teuer, meist ist die Atmosphere etwas laut und fröhlich, vielleicht einem Bierzelt vergleichbar. Parties werden natürlich ebenso in diesem Umfeld geworfen. Ein Teil des Kabukichos, der besonders bei jüngeren Besuchern beliebt ist umfasst Game-center mit diversen Video-Bewegungs-Geschicklichkeitsspielen, die in einer ungeheuren Lautstärke und grellen Lichterumgebung gespielt werden. Gleich nebenan wieder einer der zahlreichen Pachinko-Parlor, dem in Japan sehr beliebten Nagelbrett-Flipper. Zwischendrin immer mal wieder Porno-Video Läden, bei denen besonders Videos mit Schülerinnen in Uniform und harte Sachen beliebt zu sein scheinen.
Besonders bei Paaren und gemischtgeschlechtlichen Gruppen beliebt ist Karaoke, das gerne nach einem Izakaya- oder Restaurantbesuch genutzt wird, um die Nacht durchzusingen, wenn der letzte Zug um 24 Uhr weg ist. Auf diese weise kommen sich die Japaner während des Singens und Trinkens näher und die Hemmschwellen verwschwinden ganz. Anders als in Europa singt man Karaoke in Japan immer nur für sich bzw. seine eigene Gruppe, so dass man sein eigenes Karaokezimmer (Karaokebox) mietet, das häufig schon mit All-you-can-drink gekoppelt ist, so läßt sich natürlich besonders leicht amüsieren. In den geschäftsschwachen Zeiten tagsüber werden die Karaokeboxen so günstig angeboten, dass viele Schüler zum Zeitvertreib ihre Singfähigkeiten trainieren um mit den Charts up-to-date zu bleiben.
Zurück zu den Salarymen, besonders denen mit größeren Spesenkonten die mit Geschäftspartnern unterwegs sind. Dann werden gerne die etwas teureren Etablissements, Clubs aufgesucht. Viele von diesen Clubs haben ein Format, dass etwas seltsam anmutet aus unserer Sicht: Es sind eigentlich eher größere Wohnzimmer, man sitzt auf Couches, unterhält sich und wird von gegenübersitzenden Damen unterhalten, die auch dafür sorgen, dass man immer ein volles Glas hat. Der Hauptzweck besteht dabei wirklich im Gespräch, denn die Hostessen sind ganz normal bekleidet und gehen abends alleine nach Hause. Auch ich wurde einmal spontan in solch einen Club eingeladen, aber ich glaube schon der zweite Besuch wäre langweilig geworden, besonders angesichts der astronomischen Preise. Natürlich gibt es auch jede weitere Stufe von Clubs inklusive Striptease oder besonderer Spiele. Einer davon ist z.B. American Chrystal (siehe die letzten Bilder im Album) bei dem die Damen mit knappen bzw. knappen Höschen auf verspiegelten Bänken sitzen - sehr zur Freude der Kunden. Zu Bubblezeiten gab es auch No-Pants-Clubs und Restaurants mit verspiegeltem Boden, doch seitdem herauskam, dass die Regierung auch in solchen Clubs logierte, wurden die No-Pants-Restaurants geschlossen. Bemerkenswert an American Chrystel ist zum einen der Preis von 130 EUR für 40 Minuten, zum zweiten aber das große Schild auf der Tür: "Japanese only" wie wir auch an anderer Stelle diskriminiert wurden und mit dem Verweis auf die mangelnde Gewöhnung der Gäste an Ausländer ein Eintritt abgelehnt wurde. Aber gehen wir einen Schritt weiter, denn seltsam muten gelegentlich die großen Werbetafeln mit Porträts von schleimigen, langhaarigen Herren an, die dann meist in Form einer Rangliste präsentiert werden. Hier handelt es sich um so genannte Hosto-Clubs, also Clubs für Frauen, auch viele Hostessen gehen nach Dienstschluss wohl hierher, um von männlichen Gigolos unterhalten zu werden. Im Schaufenster lädt dazu dann meist der Host des Monats ein.
Als Höhepunkt unseres Rundgangs nun ein Blick auf die Lovehotels. Hinter diesem Begriff verbirgt sich keineswegs die anrüchige Einrichtung des Puffes, sondern ein Angebot, dass den Kundenbedürfnissen der Japaner in besonderer Weise entgegen kommt. Zum Besuch eines Liebeshotels muss man die Partnerin nämlich schon selbst mitbringen, und auf den Straßen davor findet man nur in den billigsten Gegenden Prostituierte, die man aber gar nicht in die Hotels mitnehmen darf, denn Zweck ist ein etwas anderer. Dazu muss man sich vor Augen halten, dass Japaner auf engstem Raum, weit von der Stadtmitte entfernt wohnen, die jüngeren oft sogar ein Zimmer mit den Geschwistern teilen und das Elternhaus erst zur Hochzeit verlassen. Das Nachbarhaus steht meist keinen Meter entfernt, die Wände sind geräuschdurchlässig und oft wohnen auch noch die Großeltern mit unter einem Dach. Wie soll man dort die Intimitäten einer Beziehung ausleben - unmöglich.
Genau diese Lücke schließen die Lovehotels, die man meist in der Nähe von großen Bahnhofen und Vergnügungsvierteln findet. Entgegen vielen Gebäuden sonst in Japan sind sie schon von außen attraktiv und sauber gestaltet, allerdings sind die Fenster immer abgedeckt. So werben sie verheissungsvoll beleuchteten Paläste um Kunden, während die Preise auf Tafeln vor dem Eingang angepriesen werden, genauso wie eine Anzeige mitteilt, ob das Hotel voll ist. Im Kabukicho gibt es ganze Straßenzüge mit den ausgefallendsten Lovehotels, die aber einige Gemeinsamkeiten in der Benutzung haben. So ist der Eingang immer sehr verschachtelt und diskret gestaltet, so dass man förmlich durch eine Art Labyrinth in die Lobby vordringt. Wenn es Parkplätze gibt, sind die Einfahrten durch Plastiklappen bis zur Hälfte von oben herab verhängt, so dass man beim Aussteigen die Köpfe nicht sieht. Bei den geparkten Autos werden dann die Nummernschilder durch eine Tafel abgedeckt - denn auch Seitensprünge sollten ja unerkannt bleiben. In der Lobby dieser Hotels gibt es natürlich kein Restaurant und überhaupt sieht man keine Angestellten - die Rezeption ist mit Milchglas quasi unsichtbar gestaltet. Es ist auch gar nicht notwendig persönlich einzuchecken, denn immer empfängt einen eine große Spiegelwand, auf der Bilder von den verfügbaren Zimmern leuchten, zusammen mit der Preisangabe. Es werden immer zwei Preise angegeben, für "Rest", also ca. 3 Stunden, und für "Stay", sprich übernacht. Entgegen internationalen Hotelketten sind die Zimmer meist verschieden gestaltet, um möglichst vielen Geschmäckern gerecht zu werden. Oft gibt es sogar Räume mit verschiedenen Stilrichtungen, wie amerikanisch, europäisch, luxurious, japanisch, etc. Nachdem man ein Zimmer gewählt hat, kann man sich in diesem nach Belieben vergnügen: Baden, Schlafen, etc... Nach Vollzug wird dann diskret an einem Automat im Zimmer bezahlt, wieder ohne jeden Kontakt mit dem Hotelpersonal. Mit Angeboten ab ca. 40 EUR bis 160 EUR pro Nacht sind Lovehotels manchmal auch eine preisgünstige Übernachtungsalternative auf Reisen, wenn alles andere voll oder schon verschlossen ist - Lovehotels werben schließlich immer um Kunden. Während ich die Fotos für diesen Bericht machte, merkte ich, wie werktags gegen 19 Uhr eine ganze Welle von Paaren die Vorräume der Lovehotels betraten, um möglichst schnell auf dem Zimmer zu verschwinden. In manchen Hotels gibt es sogar Warteräume im Erdgeschoß, für den Fall, dass man auf einen freien Raum warten muss - eine interessante Vorstellung. Primetime ist natürlich das Wochenende, besonders der Sonntagnachmittag, wenn die Preise am höchsten sind, die "Full" Lampen zahlreich und unentschlossen suchend umherlaufenden Pärchen auf den Straßen davor dafür umso zahlloser. Es sei noch angemerkt, dass es dabei alle denkbaren Konstellationen von Paaren gibt, ältere genauso wie sehr ungleiche, Schülerin mit Salaryman, Topmanager mit Sekretärin, etc... der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Falls Ihr sie nicht schon früher besucht habt, hoffe ich, Ihr seid nun alle neugierig auf die entsprechenden Bilder und Kommentare.

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