Inside Out

30.11.2002 

Flying Hawaii - Nur Fliegen ist schöner    jetzt auch als PDF-Datei samt Bildern
 
Mit diesem Traum im Kopf wollte ich den Sommer in Tokyo noch mit einem weiteren Highlight krönen. Ich hatte mir vorgenommen in Hawaii den Privatpilotenschein zu machen bevor ich wieder in den deutschen Alltag zurückkehren würde. Zu Beginn war es mehr eine fixe Idee und alle die davon hörten hielten mich wohl für einen Hazadeur. Auch ich selbst war mit den Fortschritten in der Organisation nicht so recht zufrieden. Erst im Mai konnte ich mich aufraffen, mich nach Flugschulen und sonstigen Unterlagen umzusehen. [...] Für den Juni hatte ich mir viel vorgenommen, doch die Fußball-WM verlangte mit jedem deutschen Sieg unerwartet viel mehr Freizeit von mir. [...] Den August verbrachte ich dann mit dem Durcharbeiten des Privat Pilot Manuals, einem 600 seitigen Buch, das einem theoretisch das Fliegen beibringt.

Am 12.08. machte ich mich auf nach Hawaii zu fliegen. Es würde mein erster Flug über die Datumsgrenze sein und so ist es schon ein komisches Gefühl, wenn man abends um 18 Uhr abfliegt, und am morgen des selben Tages um 6 Uhr am Ziel ankommt. [...] Sechs Stunden später (oder auch 12 Stunden früher, je nach Blickwinkel) war es dann soweit. Wir schwebten ein in Honolulu International Airport, einem gigantischen Flughafen mit 4 Start und Landebahnen, kurz Runways genannt, der direkt am hellblauen Meer liegt. Bei angenehmen 28 Grad lief ich durchs parkähnlich angelegte Terminal zum Baggage Claim. [...] Mit Erleichterung nahm ich mein Gepäck entgegen und bewegte mich völlig entspannt durch das morgendliche Paradies zu meinem Hotel. Am östlichen Ende von Waikiki wohnte ich im Diamond Head View Hotel und konnte den direkten Blick auf den Stadtnahen Vulkankrater (Diamond Head) genießen.

Nachdem ich den ersten Starbucksbesuch am nur 200 Meter entfernten Strand genossen hatte und das Schlafdefizit wieder ausgeglichen war packte mich die Ungeduld in Richtung Fliegen. Also rief ich Jahn Mueller, den Chef von Mueller Aviation an, bei dem ich meine Flugausbildung absolvieren wollte. Jahn ist ein spontaner Typ und fragte mich, ob ich noch am selben Nachmittag beginnen wollte. Ich bremste etwas und meinte nur, dass zunächst die Örtlichkeiten kennen lernen wolle. Also stieg ich in "TheBus", dem Bussystem in Honolulu, dass sich mit dem Titel "America's Best Transit System" rühmt, es aber noch nicht mal fertig bringt, an den Haltestellen die dort stoppenden Buslinien und Fahrpläne mitzuteilen. Fahrpläne gab es dafür kostenlos bei McDonald's und die Monatskarten bei 7Eleven, aber darauf muss man erst mal kommen. Mein Ziel waren die blauen T-Hangars auf der General Aviation Seite des Flughafens, gleich neben Federal Express, UPS, etc. Der Bus braucht für eine Autostrecke von 20 Minuten fast eine Stunde und dann noch 2 Meilen auf dem Lagoon Drive bis zum Hangar, rechts der Asphalt und das Kerosin des Flughafens, links eine hellblaue Lagune, zwei Wasserflugzeuge und Runways für diese. Honolulu International Airport liegt gerade mal 13 Fuß über dem Meeresspiegel. Als ich den Hangar, der für die nächsten Wochen meine Heimat sein sollte erreichte, hatte Marco, der Mechaniker gerade die Cessna 172 fertig repariert und wollte zu einem Testflug aufbrechen. Er fragte meinen Fluglehrer Jerry und mich, ob wir mitfliegen möchten - einfach so.

Wenige Augenblicke später saßen wir alle im Beachlook im Flieger und rollten zur Startbahn. Mann war das aufregend, meine Sinne konnten das alles gar nicht so schnell erfassen und schon verloren wir festen Boden unter den Füßen. Hurra, wir fliegen sagte meine Ratio, aber meinem Bauch war das doch etwas unheimlich: Nein, Surfen ist das nicht, Segeln fühlt sich auch anders an, Schwimmen sowieso - komisch irgendwie. Dann kam mir noch der Gedanke, dass ich ja noch nie in einem einmotorigen Flugzeug gesessen hatte vorher, nur ein Hubschrauberrundflug über Miami ist mir in Erinnerung. Und ich hatte nun auch noch für viel Geld alle Voraussetzungen geschaffen, dass ich die nächsten sechs Wochen selber Fliegen sollte bzw. wollte - abenteuerlich. War der Traum nur ein Albtraum? Ich hatte gar keine Zeit diese Frage falsch zu beantworten, denn nachdem ich beim Nachdenken noch den Tower und den Flughafen im Blickfeld hatte flogen wir nun bereits mitten über Honolulu, dann Waikiki und schon über dem Krater des Diamond Head. Alles war zum Greifen nahe, die Geschwindigkeit mit 80 Knoten mäßig, der Blick einfach nur fantastisch: Der Genuss setzte ein und ich entspannte ein wenig nach all dem Einreisestress am morgen. Wir flogen entlang der Küste rund um Oahu, der Hauptinsel des Hawaii-Archipels. Nach 40 Minuten hatten wir den legendären North Shore erreicht, wo sich im Winter die Surfer der Welt zum Kräftemessen treffen. Im August sind die Wellen aber kaum zu erahnen. Ein paar Minuten später kommt die Piste von Dillingham in Sicht und Marco macht drei so genannte Touch and goes, also Landungen mit Durchstarten. Ich bin erstaunt, wie "steil" es vor der Landung bergab geht und wie wenig Auslauf wir benötigen, um die Energie abzubauen. Nach weiteren 30 Minuten sind wir wieder in Honolulu Int. Airport, kurz HNL, wo ich nun schon den zweiten Anflug am selben Tag miterlebe. Für mich geht ein erster, erlebnisreicher Tag zu Ende, ich falle früh aber entspannt ins Bett und lasse das Nachtleben erstmal Nachtleben sein, denn schon knapp einen Tag später soll ich ja selber fliegen.

Am nächsten Morgen checkt Jerry kurz, ob meine Theoriekenntnisse auch praxistauglich sind und wir beginnen mit dem preflight-check. Dabei geht man einmal rund ums Flugzeug und kontrolliert alle wichtigen Funktionen, angefangen bei den Landeklappen über die Ruder, Flügel, Rumpf und Leitwerke, den Ölstand und nicht zuletzt den Kraftstoff. Ich steige auf einen Tritt, öffne auf der Oberseite der Flügel den Tankverschluss und vergewissere mich, dass auch wirklich Kraftstoff zu sehen ist. Im Cockpit selbst geht es weiter mit der Checkliste für die ersten Instrumente. Und schon soll ich den Schlüssel rumdrehen und den Motor anlassen. Vorher haben wir noch die Headsets aufgesetzt, denn Geräuschisolation ist in einer Cessna gänzlich unbekannt. Spontan denke ich an Käferfahren mit Vollgas und offenen Fenstern. Die Fußpedale steuern das Seitenruder und gleichzeitig die Lenkung des Vorderrades und die Bremsen. Der Propeller dreht sich und ich spüre sofort, wie das Flugzeug schon in geringer Drehzahl nach vorne rollen will. Auf einer Vorfeldposition vervollständigen wir die Checkliste und testen die von der Vakuumpumpe angetriebenen Instrumente wie Heading-Indicator. Ich bin noch so mit dem Lärm und dem Umsetzen von Jerrys Anweisungen beschäftig, dass ich gar nicht mitbekomme, wie er schon den Wetterbericht und die Startfreigabe erledigt - heute soll ich erst mal Fliegen lernen, ums Funken kümmern wir uns später. Einen Augenblick später höre ich "Cessna One-One-Four-Four-Six (11446 - unsere Registrierungsnummer) cleared for take-off" und wir heben mit Vollgas ab. Ich genieße noch etwas den Ausblick bevor Jerry mit den ersten Lektionen beginnt. In der north practice area klettern wir auf 3000 feet und ich klammere mich ans Lenkhorn in den ersten steep turns mit 45 Grad Neigung - die Welt beginnt sich um mich zu drehen. Erst 360 Grad nach rechts, dann fliege ich einen Kreis nach links - eigentlich gar nicht so schwer. Doch dabei keine Höhe zu verlieren, die gleiche Geschwindigkeit zu behalten, das sind die Herausforderungen des Tages. Ich gebe mein Bestes und schwitze mir in den ersten zwei Flugstunden einen ab. Kaum glaube ich ein Manöver im Griff zu haben, hält Jerry schon wieder was neues für mich bereit. Diesmal soll ich über einem Wassertank gleichmäßig kreisen oder S-Kurven über einer Stromleitung fliegen - ground reference maneuvers heißt das in den "Practical Test Standards", unserem Kochbuch das wir Seite für Seite durcharbeiten, schließlich will ich am Ende eine Prüfung bestehen.

Nach einer Mittagspause am Hangar starten wir wieder und fliegen nach Kalaeloa, einem ehemaligen Militärflughafen auf der anderen Seite von Pearl Harbor, den wir nun täglich anfliegen. Mit drei Runways ist dieser Airport so etwas wie ein Bolzplatz für Flugschüler. Im traffic pattern genannten An- und Abflugkreis bewegen sich für jede Runway mehrere Flugschüler und auf einer Piste kann ich die Coast Guard mit einer Herkules Transportmaschine beim Üben beobachten. Jerry gibt mir Anweisungen für meine erste Landung: Zunächst fliegen wir parallel zur Landebahn aber in die Gegenrichtung und reduzieren die Höhe (altitude) auf 800 feet. Die Geschwindigkeit reduziert sich langsam auf 70 knoten, als ich den Gashebel auf 1500 rpm zurücknehme. Dann soll ich einem imaginären Rechteck folgend eine Linkskurve fliegen und dabei die Höhe weiter reduzieren, 65 knoten und wir fallen auf ca. 600 feet als ich die Landeklappen auf 10 Grad ausfahre. Nach einer weiteren Linkskurve sehe ich die Landebahn direkt vor uns liegen und die heiße Phase beginnt, wir sind auf "final" - der letzten Phase des Landeanfluges. Inzwischen sind die Landeklappen auf 30 Grad ausgefahren, ich halte eine Geschwindigkeit von 60 knoten und wir verlieren stetig an Höhe bis es nur noch wenige feet bis zum Boden sind. Kurz vor dem Touch down ziehe ich die Nase der Cessna wieder hoch, damit wir schön auf den Hauptfahrwerk zuerst landen. Rumps - ein erster harter Kontakt mit dem Boden, aber dann geht es wie bei einem Flummi wieder hoch bevor wir nach ein paar Sprüngen endgültig unten bleiben - meine erste Landung. Von da an stand hartes Training auf dem Programm, Gas geben, starten, Platzrunde fliegen und wieder runter. Zehn Mal machen wir das am ersten Tag und ich merke, wie sich langsam ein Gefühl für die Höhe, die Entfernung und die Geschwindigkeit entwickelt. Landung Nummer 8 war schon zuckerwattenweich, aber dann wechselt die Windrichtung und das Multitasking-Spiel beginnt von Neuem. Um 16 Uhr ist Schluss und ich habe das Verlangen, mich umzuziehen, denn mein T-Shirt ist nass vor Schweiß der Marke "Examen-super-schwer" der durch Lüften nicht zu bändigen ist. Ein Deo ist sowieso zwecklos.

Mit frischem Shirt stand ich am nächsten Tag wieder am Hangar und mache selbständig die preflight checks. Heute soll ich mit dem Funken anfangen, was sich als die eigentliche Herausforderung beim Fliegen herausstellen soll. Wir hören den Wetterbericht "Alpha" ab und ich soll die Flugfreigabe abfragen. Weil Honolulu ein sehr verkehrsreicher Flughafen der Kategorie B ist, mit jeder Menge "großen Vögeln" braucht man für jede Kleinigkeit eine Erlaubnis, die man auch noch auf lauter unterschiedlichen Frequenzen erfragen muss. So wende ich mich zunächst an die Clearance: "Honolulu Clearance Cessna 11446 requesting Tripler departure with information alpha"; Air Traffic Controller (ATC): "Cleared into class bravo, tripler departure, maintain 1500 feet, frequency 119,1, squak 0254" Brav wiederhole ich des gesagte und bin erleichtert zu hören: "Read back correct contact ground". Das Grundprinzip der Sicherheit in der Luftfahrt ist die Kommunikation: jeder Pilot steht ständig im Kontakt mit einer Leitstelle bzw. hört eine bestimmte Frequenz ab. Um Missverständnissen vorzubeugen muss man die Anweisungen der Controller immer wörtlich wiederholen. Als nächstes kontaktiere ich ground: "Honolulu Ground, Cessna 11446 at T-Hangars request taxi for takeoff" - "11446 Taxi to 4 right at Foxtrott" erhalte ich als Antwort und fühle mich wie Tom Cruise in Top Gun, während ich wie ein Mantafahrer den Ellbogen zum Fenster raushänge um dieses zur Belüftung offen zu halten. Ein Klimaanlage gibt es nämlich nicht und Fahrtwind haben wir am Boden noch nicht. Wir schlängeln uns zwischen ein paar kleineren Maschinen und einer MD-11 von FedEx durch in Richtung Startbahn. Als wir die Position "4 right at Foxtrot" erreichen wechseln wir die Frequenz zum Tower der uns schon mit der Anweisung "11446 Taxi into position and hold 4 left" empfängt. Die Bezeichnung 4 steht für die runway mit 40 Grad Ausrichtung gegen Nord, "left" legt fest, dass es sich um die linke Startbahn handelt, "right" würde die rechte meinen, den hier verlaufen zwei Runways parallel. Weil alles aber so schnell wie im Film abgeht und ich den Controller adhoc nicht vollständig verstehe, wiederhole ich "11446 Taxi into position and hold 4 right" - "446 Taxi to FOUR LEFT" schallt es auch schon mit energischer Stimme in den Ohren und ich mache, dass ich auf die richtige Startbahn komme. Dort müssen wir noch etwas warten. Einen Augenblick später überholt uns von hinten rechts ein großer Schatten, ein Jumbo von Japan Airlines landet rechts neben uns auf Runway 4 right mit viel Getöse und ich komme mir in unserer Cessna so unendlich klein und unbedeutend vor. Von diesem Tage an höre ich immer genauestens hin und frage lieber dreimal nach, wenn etwas unklar erscheint. "11446 cleard for takeoff" werde ich erlöst und gebe Vollgas. Bei 60 knoten heben wir ab und steigen in den Himmel. Schon höre ich den Tower "contact departure" sagen und wir wechseln abermals die Frequenz: "Departure Cessna 11446 is with you through 800ft for 1500ft". Meine Mitteilung wird im breitesten amerikanisch lapidar mit "Radar contact" quittiert. Wenige Minuten später höre ich schon wieder die Top-Gun-Stimme: "11446 radar service terminated frequency change approved, squak VFR." was zunächst der letzte Funkspruch ist und mir die Möglichkeit gibt, mich wieder auf die Flugmanöver und den Verkehr zu konzentrieren. Vorher stelle ich am Transponder noch die Zahl 1200 ein, das "Kennzeichen" für VFR, also Sichtflug. Diesmal waren alle Funksprüche noch vom knee-board abgelesen, aber nach und nach lerne ich auch die Antworten richtig zu verstehen und gewinne an Sicherheit. Die Übungsstunden verlaufen wieder mit zahlreichen Flugmanövern, die wir endlos wiederholen, so dass die Landungen nicht nur weicher sondern auch variantenreicher werden: normal landing, soft-field landing and take off, short-field landing and take off und die simulierte Notlandung ohne Motor füllen den Stundenplan der nächsten Woche.

Abends schlafe ich sehr gut und die restliche Freizeit habe ich mit dem Endschliff für die Theorie verbracht, bevor ich in einer Mittagspause den Computer-Based-Test in 35 Minuten absolvierte, für den eigentlich 150 Minuten zur Verfügung stehen. Nicht beschleunigen hingegen ließ sich der medical check bei Dr. Tamura, einem Japaner zweiter Generation, der alle flugrelevanten Funktionen meines Körpers in drei Stunden inspizierte.

Auf diese Weise verging ungefähr eine Woche bis Jerry nach zehn Stunden meinte, ich könnte ja nun schon sehr gut fliegen, aber das mit dem Funken sei doch noch ein wenig zu verbessern. Indem er sich in den nächsten sechs Flugstunden völlig taub gegenüber den Controllern stellte wurde auch das besser und mit nur 16 Stunden brachen wir recht spontan zum "First Solo" auf. Wie üblich flogen wir nach Kalaeloa, doch dies Mal machten wir einen full stop um das Rollfeld einmal abzufahren. Nach einer letzten Platzrunde nahm sich Jerry einen Apfel und meine Kamera und stieg aus - es war an der Zeit, dass ich meinen ersten Alleinflug absolvieren sollte. Zunächst befürchtete ich, die veränderten Gewichtsverhältnisse würden auch auf das Flugverhalten Einfluss haben, da begann der Tower auch schon mich zu fragen, ob das mein erster Alleinflug sei, was ich frohen Mutes bejahte. "Kalaeloa Tower, Cessna 11446, student pilot cleared for first solo takeoff" spreche ich ins Mikrofon bevor ich unter den Augen von Jerry und den Controllern Vollgas gebe. 50 Knoten - ich bin schnell, 55 Knoten - es beginnt leicht zu werden und ich halte das Höhenruder nach unten und damit das Flugzeug noch etwas am Boden bevor ich bei 60 Knoten abhebe. Juhu, ich fliege - ALLEINE! Aber Fliegen ist nichts ohne Landen, denn sonst hat man ja keine Möglichkeit mehr, sich dauerhaft zu freuen. So schwebe ich nach einer Platzrunde zum ersten Mal ohne überwachenden Lehrer auf die Piste zu. 300 feet, 200 feet, 100 feet uuuund touch down. Hurra ich habe den ersten Alleinflug hinter mir und alles ging glatt, wenn man mal von der Wirkung des Deos absieht, das auch in dieser Situation wieder kläglich versagte. Unglaublich, ich kann Fliegen! Jerry beglückwünschte mich zu diesem Rekord, so schnell hatte es noch keiner seiner Schüler geschafft. Von nun darf ich selber das Logbuch führen und zwar als PIC - Pilot in command, der für den Flug verantwortlich zeichnet. Dieser Tag wurde in den Bars von Waikiki natürlich entsprechend gefeiert das Grinsen war aus meinem Gesicht nicht mehr weg zu bekommen.

Doch Jerry hielt schon wieder neue Aufgaben für mich bereit: Cross Country Flights, für die ich jeweils morgens das Wetter im Internet ermittelte, dann während meiner Busfahrt einen Flugplan erstellte, der die Korrektur der zu steuernden Kurse durch den Wind berechnet, genauso wie Flugdauern und nicht zu letzt den Spritverbrauch, schließlich kann man mit einem Flugzeug ja nicht "mal eben rechts ran" fliegen. Anstatt wieder zum "Trainingsplatz" zu fliegen requestete ich schon beim Start eine shoreline departure, die uns glücklicherweise auch genehmigt wurde. Dahinter verbirgt sich der filmreife Flug direkt entlang des Strandes von Waikiki, bei dem man von oben einen unbeschreiblich schönen Blick genießt. Normalerweise ist diese Route den Jumbos vorbehalten, die direkt über dem Meer in Richtung Japan abdrehen. So flog an diesem Morgen der kleine Eiko am Strand endlang und machte jede Menge Fotos bevor es geradeaus hinaus aufs Meer ging. Schon nach ein paar Meilen kommt Molokai in Sicht, die Nachbarinsel von Oahu. Wir passieren die Südwestspitze bei Laau Point und nehmen Kurs auf Lanai, eine weitere Insel und unser heutiges Ziel. Fast unbewohnt liegen diese beiden Inseln majestätisch vor uns und wir sprechen noch mal das Vorgehen für den Landeanflug durch, denn in Lanai gibt es keinen Tower, man kündigt sich nur auf einer bestimmten Frequenz an. Wenn sich keiner meldet, kann man sich vorsichtig der Piste nähern. Wir schweben oberhalb der Steilküste heran, noch ohne die Piste genau zu sehen, als ein Island Air Flieger in Richtung Süden startet und uns die genaue Lage der Runway verrät. Wenige Augenblicke später lande ich sanft auf einem neuen Flughafen, dessen Terminalgebäude typisch für Hawaii sind: Alles open air, die Angestellten sind sowieso im Hawaiihemd, genauso wie alle Busfahrer, ja sogar der Tankwart auf dem Flugfeld kommt im legendären Aloha-shirt. Weil unser Bugfahrwerk etwas Öl verliert verabschieden wir uns schnell und fliegen zurück. Während dieses Fluges erfahre ich noch ein ganz anderes Problem: Ich hatte am morgen zu viel Getrunken und der Verdauungsprozess war schon durch. Mir vergeht das Lächeln, denn es gibt kein entrinnen, wir fliegen mit Vollgas gen Heimat.

Soweit so gut, doch die nächste Aufgabe war ein cross country flight bei Nacht. Um es nicht unnötig schwer zu machen wählten wir die selbe Route, doch der Flug war deswegen noch lange nicht gleich. Zwar dürften wir wieder über Waikiki Beach fliegen, was auch bei Nacht durch die illuminierten Swimmingpools in den Hotels noch ein imposantes Bild abgibt. Doch dann drehten wir ab in die schwarze Nacht, die Konzentration voll auf den Kompass, den Höhenmesser und die weiteren Navigationsinstrumente gerichtet. Es kamen ein paar Wolken auf und bald war Honolulu im Rücken nur noch als dumpfe Lichtquelle erkennbar. Laau Point auf Molokai war aufgrund des funzeligen Leuchtturmes nur zu erahnen und von Lanai noch nichts zu sehen. Die Wolken hingen tief, 2500 feet, so dass wir möglichst alle Lichter ausmachten, um die Orientierung zu behalten. Dem Flugplan entsprechend sollten der Airport nun in Sicht kommen, doch liegt er auf 1308 feet, so dass wir aufpassen mussten, nicht zu tief anzufliegen, die Klippen sollten schließlich unberührt bleiben. So hangelten wir uns knapp unterhalb der Wolken vorwärts, denn wir befinden uns im VFR - also Sichtflug. Jerry fragt mich nach der Bedeutung eines Blinklichtes im Schwarzen Nichts und ich glaube wieder einen Leuchtturm entdeckt zu haben. Dann betätige ich anweisungsgemäß fünf Mal die Sprechtaste am Steuerhorn und ahne etwas. Sekunden später flammt aus dem Nichts die Landebahnbefeuerung von Lanai auf und ich fühle mich wie in James Bonds Feuerball. Weil es in USA so viele kleine Flugplätze gibt, kann man jeweils per Funk ferngesteuert die Beleuchtung einschalten um dann sicher zu landen. Die weiteren Nachtmanöver verliefen reibungslos und nach dieser Landung im Nichts träume ich wieder besonders intensiv.

Nach Alleinflug und Cross Country sowie Nachtflugerfahrung ist es nun an der Zeit, die verlangten zehn Alleinflugstunden abzufliegen und in der nächsten Zeit mache ich mich deswegen öfter zum Island-Hopping auf. Eines Samstagmorgens breche ich früh auf um einen gemischten Rundkurs über drei Inseln und vier Flughäfen zu machen. Entlang der Nordküste von Molokai fliege ich absichtlich tief auf 1500 feet um in Augenhöhe mit den grünen Steilfelsen der Wetterseite zu fliegen, die sogar noch etwas höher hinausragen. Unten dunkelblaues Wasser, rechts Natur pur und in den Händen ein Freiheitsgefühl, das keine Camel oder Malboro Werbung zu vermitteln weiß - das ist Fliegen pur - an einem der schönsten Plätze der Welt. In der Mitte der Steilküste ragt eine flache Landzunge halbinselförmig ins Meer, ein beschauliches Dorf, Kalaupapa, wird sichtbar und noch viel besser: An der Spitze liegt eine Landebahn auf der ich mich zu einer kleinen Pause entschließe. Von den Menschenmengen, die sich in Waikiki dem Shoppingrausch hingeben ist hier nichts zu spüren, nur die Brandung gibt dieser Kulisse den richtigen Geräuschpegel. Die Landschaft verändert sich etwas, als ich Maui, das Paradies der Windsurfer, erreiche. In Kahului starte ich nur durch um dann neugierig die Villenküste entlang zu fliegen. Wohnt Privatdetektiv Magnum hier oder dort - this is the place to live. Meine Träumerei wird durch einen Funkspruch unterbrochen: "11446 helicopter traffic at 6 o'clock at 1000" "Watch out for the traffic 446" quittiere ich, ohne jedoch einen Hubschrauber zu sehen. Dieser soll sich von hinten nähern, sechs Uhr eben, aus meiner Perspektive gedacht. Der Controller wird etwas nervöser und fragt nochmals nach, doch ich finde keinen Hubschrauber. Plötzlich schießt vorne unter mir ein Objekt hervor, der Hubschrauber war ca. 500 feet. unter mir durchgeflogen, was für den Controller auf Grund der verschmelzenden Leuchtpunkte auf seinem zweidimensionalen Display aber wie ein Crash ausgesehen haben muss. Meine Neugier lässt mich zu Molokini fliegen, einem halb versunkenen Minivulkan südlich von Maui, den Taucher als Tagestourziel aufsuchen. Für mich bot er fünf Minuten lang eine Fotokulisse, dann begann die Schlechtwetterfront näher zu kommen und ich wurde ganz schön durchgeschüttelt in der kleinen Cessna 172. Ich hielt mich am Lenkhorn fest, gab ordentlich Gas um mit zwei weiteren Zwischenstopps in Lanai und Molokai wieder nach Honolulu zurückzukehren. Um 14 Uhr am selben Tag lag ich bereits am Strand von Waikiki und ließ es mir gut gehen. Auf Smalltalkfragen beim Cocktail antwortete ich ganz locker, dass ich heute schon in Maui war, das Wetter sei dort auch etwas wechselhaft - meine japanischen Zuhörer sind etwas verwundert und flippen fast aus, als sie hören, dass ich nur zum Spaß, genauer zum Fliegen nach Hawaii gekommen bin. Aloha - alles ist möglich - schwillt meine Brust an, in dreieinhalb Stunden war ich auf 4 Inseln und habe jede Menge Natur aus der Vogelperspektive genossen.

So vergingen die Wochen: Morgens fliegen, nachmittags in Waikiki baden und abends ausgehen - monetär betrachtet war das natürlich Geldverbrennen pur, denn ich war Stammkunde am ATM (Geldautomaten), der mir immer nur 300 Dollar aufs Mal gab. Nach fünf Wochen wurde es ernst, die praktische Flugprüfung stand vor der Tür. Ich begann im Logbuch die Stunden zusammenzuzählen, 40,6 Stunden, davon 11,3 als Pilot-in-command, die Mindesterfordernisse von 40 bzw. 10 Stunden sind geschafft. Also tauschte ich Badelatschen und Badehose gegen etwas normalere Kleidung ein und stand früh auf - verdammt früh! Die Prüfung sollte um 7:30 Uhr beginnen, doch ich musste noch den Wetterbericht beim Flightservice FSS abholen, einen Flugplan damit berechnen, ganz zu schweigen von der Busfahrt. Mein Prüfer George Morikawa, ebenfalls japanischen Ursprungs, fuhr schon auf seinem alten BMX Rad Runden vor seiner Kabine. Dort prüfte er dann zunächst mündlich meine Kenntnisse über zwei lange Stunden hinweg und checkte meinen Flugplan. Dann erlöste er mich zumindest teilweise als er mich aufforderte den preflight check zu machen. Dies bedeutete, dass ich den Mündlichen Teil schon bestanden hatte. Aber das Wetter war an diesem Tag durchwachsen und der Wind wechselhaft. Direkt nach dem Start musste ich die Maske aufsetzen und beweisen, dass ich das Flugzeug auch nur nach Instrumenten steuern kann - kein Problem. Dann brachte George das Flugzeug in einem wilden Auf und Ab in eine unvorhergesehene Flugsituation, denn ich sollte die Augen schließen. Auf Kommando öffnete ich sie wieder und überführte uns wieder in den geraden Flug - das war schon etwas schwerer. Als nächstes dürfte ich George zeigen, dass ich auch beim Strömungsabriss im Sink- und Steigflug die Maschine abfangen kann - ein kritisches Manöver wenn man sich nicht voll unter Kontrolle hat, denn in dieser Grenzsituation fliegt das Flugzeug nicht mehr, es fällt nur noch, wie ein Stein. George war auch damit zufrieden und entzog mir unvorhergesehen den Motor. Ich sollte eine Notlandung simulieren und konnte mich nicht so recht für ein Feld entscheiden, was bei ihm etwas Unmut auslöste. Also musste ich das Manöver wiederholen, aber es war zum Glück kein Ernstfall. Die ground reference maneuver brachte ich dann sehr schnell hinter mich, denn im selben Gebiet kreiste ein zweites Flugzeug, dass wir aufgrund spärlicher Funksprüche immer im Auge behalten mussten - George war nervöser als ich, wohl nicht ganz zu unrecht. Nachdem ich dann noch alle Varianten von Start und Landung vorgeführt hatte beruhigte er sich wieder und freute sich mit mir auf ein entspanntes Wochenende. Ich flog die Kiste ganz locker nach Honolulu zurück und war mir meiner Sache sehr sicher. Am Hangar wartete auch schon mein Fluglehrer voller Neugier und wurde nicht enttäuscht: Als ich den Motor ausstellte gratulierte mir George zum Private Pilot - ich hatte es geschafft!

Ein Traum war in Erfüllung gegangen, und das schneller als eigentlich erwartet. Ich bin Pilot und das in Hawaii. Nur ein paar Monate früher stand der ganze Plan kurz vor dem Scheitern, doch alles ist gut gegangen und ich habe unschlagbare sechs Wochen im Paradies verbracht. Zur Belohnung bin ich dann noch für einen Tag nach Big Island geflogen und habe mir dort die aktiven Vulkane und Lavaströme angesehen, man kommt sich vor, als ob man auf dem Mond wäre, so bizarr und dampfend zeigt sich die Kaldera des Kilauea.

Ich darf alle, die bis hierher durchgehalten haben einladen, meine fliegerischen Abenteuer in Bildern zu genießen und verabschiede mich von der Asien und Pacific Berichterstattung.

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