Inside Tokyo #4

15.10.2000 

Eine japanische Reise
 
Gestern haben wir auf Einladung der Japanisch-Deutschen Gesellschaft in Mito den Kairaku-en (Garten) und Kodokan, den Ausbildungsort des Mito Clans besichtigt.

Im Mittelpunkt meines heutigen Berichts soll weniger die touristische Attraktion des Reiseziels, als vielmehr die Art zu reisen stehen.

Als Treffpunkt war der Tokyo Hbf. vereinbart, bereits um 7.45 sollten wir dort abfahren. Als wir dort eintrafen warteten bereits einige Mitfahrer auf uns. Die Organisatoren hatten mehrer Decken auf dem ansonsten sehr schmalen Gehweg ausgebreitet, wo für jeden von uns bereits ein Namenschild vorbereitet war. Schnell sagte man uns noch, dass wir im 1. Bus mitfahren sollten - hier zeichnete sich schon eine sehr detaillierte Planung ab.

Wenig Minuten später kamen zwei große gelbe Reisebusse, bereits mit kleinen sauber gedruckten Schilder als "1" und "2" markiert. Umgehend erhoben unsere zwei Busstewardessen ihre Flaggen im Design der Busfirma, die ebenfalls "1" und "2" anzeigten, eine Fehlorientierung war damit schon fast ausgeschlossen. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich das die beiden Stewardessen (hier Bus-guide genannt) in der adretten Uniform der Busfirma "Hato" mit dem üblichen Hut gekleidet waren. So standen alsdann neben der Tür, begrüßten jeden von uns beim Einsteigen durch eine tiefe Verbeugung.

Unsere Fahrt sollte knapp zwei Stunden dauern, bevor wir das 100km nördlich von Tokyo liegende Mito erreichen sollten.

Gleich zu Fahrtbeginn wurden wir in schönsten Japanisch von unserer Stewardess begrüßt und informiert, auch vergaß sie nicht darauf hinzuweisen, dass wir uns doch bitte anschnallen sollten. Da waren wir erst mal platt, auf allen Plätzen gab es Gurte, das kannten wir aus Deutschland noch nicht. Die Fahrt führte uns lange durch das Verkehrsgewühl Tokyos, dabei passierten wir viele völlig unübersichtliche Autobahnknoten, die wohl nur durch aufwendiges Wegweiserstudieren für eine Normalmenschen verständlich würden. Ungefähr eine halbe Stunde vor unserem Ziel griff unsere Stewardess wieder zum Mikrofon und säuselte uns mit sanfter Stimme weitere Informationen zu - wir dachten nun würden wir auf unser Ziel eingeschworen uns erhielten noch mehr Informationen über den Park/Garten, der uns erwartet. Nun verstanden haben wir natürlich mal wieder gar nichts. Das ganze klärte sich, als wir auf einer Autobahnraststätte zu stehen kamen - nach genau einer Stunde Fahrzeit muss man ja schließlich Pause machen. Nach genau 15 Minuten ging die Fahrt schließlich weiter. Während der Rast bot sich aber schon das erste Photomotiv: Unsere beiden Busse standen exakt nebeneinander, an den Rückspiegeln waren außen die Flaggen mit den Nr. 1 und 2 befestigt und unsere Stewardessen standen vor den Bussen. Die Busfahrer waren offensichtlich auch auf Toilette gegangen, denn die fleißigen Stewardesse hatten bereits die Bremsklötze am linken Vorderrad angelegt. Die Schnur, die die beiden Holzklötze verband wurde liebevoll über eine Radmutter gelegt, damit sie nicht auf dem Boden schleift.
Ich dachte wirklich, wir sind beim Start eines Flugzeuges, als ich diese Szene sah, die aber offenbar immer so in Japan abläuft, denn auf dem Parkplatz waren noch mehrere solche Busgruppen mit Bremsklötzen.

Am Kairaku-en (Garten) angekommen parkten wir rückwärts auf einem großen leeren Parkplatz. Die Parkplätze waren durch auf dem Boden befestigte Seile markiert, die ein (fast imaginäres) Netz bildeten. Das LKW und Busse beim Rückwärtsfahren piepsen kannte ich ja schon aus USA, aber unsere Busse machten so sehr seltsame Töne, die mich verwunderten, weil es wie ein Katzengejammer klang. Das Rätsel konnte ich aber erst später auflösen, als ich sehen konnte, wie der Fahrer beim Rückwärtsfahren durch seine wild winkende Stewardess eingewiesen wurde. Diese schrie fortwährend mit sonorer Stimme: "Hai, Hai, Hai, Hai,........", was man wohl mit "Weiter, weiter, weiter,.. " übersetzen würde. Dabei verwendete Sie aber kein Mikrofon, was die Lautstärke erklärt.

Mittlerweile war es 10.20 Uhr und wir hatten Gelegenheit den sehr großzügigen und gar nicht engen Garten zu besuchen.
Ach halt, noch dürften wir nicht loseilen, bei der Eingangstreppe stand zunächst das obligate Gruppenphoto an, das auch noch einige Zeit in Anspruch nahm. Und gleich noch eins, man weiß ja nie. Anschließend schlenderten wir durch den Garten mit vielen großen und alten Bäumen und kleinen Bächen. Dabei unterhielten wir uns mit den verschiedensten Japanern, die teilweise fast akzentfreies Deutsch sprachen - ein Ergebnis der japanischen Perfektion, mussten wir erkennen. Eine kleine Kostprobe gefällig? "Hai dosou!" Ein Japaner fragte uns, ob es im Schwarzwald auch so aussehen würde, was wir mit dem Hinweis auf Nadelbäume beantworteten. Seine nächste Frage war dann, ob es da nicht hohe Aszidität geben würde? Nun, wir wussten mit dem Begriff zunächst nichts anzufangen und dachten, das wäre Englisch. Aber nein, unser japanischer Mistreiter holte sein sehr dünnes Deutschlexikon hervor uns zeigte uns zielsicher die entsprechende Vokabel: Wir wurden eines besseren belehrt, denn Aszidität ist der Fachbegriff für sauren Regen (!).

So hechelten wir durch den schönen Park und bedauerten, nicht mehr Zeit dafür zu haben, war das doch unser Hauptziel des Tagesausflugs!

Nach einer weiteren kurzen Fahrt hatten wir "Kodokan" erreicht, wo wir den Ausbildungsort des Mito-Clans in einem alten Gebäude japanischer Bauart besuchten.
Zuvor mussten wir uns aber wieder für zwei Gruppenfotos aufstellen und das ganze musste in rund 40 Minuten ablaufen. Trotzdem bekamen wir einen guten Eindruck von der Bauart der vergangenen Jahrhunderte und des interessanten Lichtspiels in den Tatami-Räumen und den Wänden aus Japanpapier.

Als Höhepunkt schloss sich schließlich das Büffet im Oarai Hotel direkt am Meer an. Im Bus wurden wir noch darauf eingeschworen, doch pünktlich um 15:14 für die Rückfahrt wieder da zu sein, bevor wir wieder für ein (also zwei) Gruppenfoto, diesmal mit deutscher Flagge lächelten.

Dort war ein riesiges Büffet aufgebaut und es gab auch noch ein paar Festreden, die die Freude sowohl der Japanischen, als auch der Deutschen Seite ausdrückten. Dies konnte man allein schon deswegen als sehr feierlich empfinden, weil die Bühne im Hintergrund mit großen Flaggen beider Nationen und riesigen Schriftzeichen geschmückt war. Das Essen und auch das japanische Bier waren mal wieder sehr lecker und der anschließende Spaziergang am Strand vermittelte uns einen ganz neuen Eindruck von Japan.

Pünktlich um 15:14 fuhren wir dann wieder zurück und erreichten pünktlich um 18 Uhr Tokyo - natürlich war auch die Rückfahrt durch eine Pause unterbrochen.

Am Abend hatte ich zur ersten New Sky Party auf meine Dachterrasse geladen und alle Welt kam. Es ist einfach super praktisch, wenn man im 13. Stock wohnt und der gesamte 15. Stock eine perfekte Dachterrasse ist. Meine Mitbewohner hatten mich damit überrascht, das schon alles vorbereitet war, unsere Toiletten dufteten, hatten Handtücher und auf dem Roof spielte schon die Musik. Aufgrund des anderen Preisniveaus (darüber werde ich gesondert berichten) laufen Partys in Tokyo aber nach einem anderen Prinzip ab: Man lädt jede Menge Leute ein, sagt Ihnen, sie mögen Freunde, Trinken und Snacks mitbringen und dann wird alles auf einem Haufen gesammelt. Das angenehme ist aber auch, das man sich um Nachschub keine Sorgen machen muss. So kamen wir aus Mito ja erst abends zurück, plünderten noch die umliegenden Supermärkte und Conbenies (japanische Aussprache für Convenient Store) samstags um 20 Uhr. Hätten wir noch Bedarf gehabt, wäre das die ganze Nacht kein Problem gewesen - "Always open" ist das Stichwort. Diesmal blieb aber mal wieder einiges übrig, so dass diese Art der Partyorganisation sehr angenehm und preiswert ist, schließlich muss man nur den Müll einsammeln. Ferner ist noch zu erwähnen, dass sich solche Partys offensichtlich weit herumsprechen, waren doch zahlreiche Deutsche und vor allem viele Japaner, die Deutsch studier(t)en da, was eine sehr nette Gesprächsatmosphäre schafft - wir versuchen Japanisch zu sprechen, viele antworten auf Deutsch! Unerlässlich sind dabei Meishis (Visitenkarten), die man bei jeder Gelegenheit austauscht, so hat man dann aber auch gleich den ganzen Namen, Telefonnr. und Emailadresse seiner Gesprächspartner. Wer keine Visitenkarten hat, ist da aufgeschmissen. Leider wird das Wetter auch hier nun herbstlich, aber der nächste Sommer kommt bestimmt.

Ja matta (bis später).

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