Inside Tokyo #6

25.11.2000 

Ein Japanisches Spielzeug?
 
Neulich lese ich in einer Zeitschrift über erfolgreiche Karrierefrauen in Japan. In einem Artikel äußerte sich auch die Chefin der Segatoys-Roboter-Abteilung über den Erfolg ihrer Erfindung. Es handelt sich um einen kleinen Plastikhund Poo-chi, der wenn man ihn anfasst Herzchen in den Augen aufleuchten lässt und mit den Ohren wackeln kann. Er sieht weder besonders hübsch, noch irgendwie kuschelig weich aus, kosten ca. 50 DM und ist 15cm groß. Wir würden dieses Ding vielleicht als neues Kinderspielzeug einstufen, doch der Artikel rückte als Zielgruppe die japanischen Single-Frauen in den Mittelpunkt. Ich verstand nur Bahnhof, aber mir wurde geholfen: Die berufstätigen Japaner arbeiten bis spät abends, kommen dann nach Hause und brauchen jemand, der sie lieb hat. Ein Haustier ist da bei Singles ja sehr beliebt. Doch was soll man z.B. mit einem Hund den ganzen Tag lang machen, außerdem hinterlässt er ja auch seine Spuren... Da scheint das kleine Segatoy genau das richtige zu sein. Die Verkaufszahlen jedenfalls bestätigen diese Überlegung, so dass nun auch kleine Vögel, Katzen und Hasen verfügbar sind. Ich hielt diese Geschichte für so seltsam, dass ich ihr keine weiter Beachtung schenkte und die Zeitschrift leider auch schon weggeworfen habe.

Doch das Thema erfuhr jüngst wieder an Aktualität. Aibo - wer kennt ihn nicht. Das ist der Plastikhund von Sony, der auch in Europa diesen Sommer auf allen Zeitschriften mal irgendwie abgebildet war. Als mir dann eine Ankündigung der zweiten Generation in die Hände flatterte wurde ich neugierig. So begaben wir uns also am 16.11. vor einer Woche zum Sony Building in Ginza um der Aibo 2nd Generation Premiere beizuwohnen. Inzwischen hatte ich mich schon etwas informiert. Aibo kann also richtig mit einem kommunizieren und hat eine Art Intelligenz, das heißt, das System lernt. In Ginza angekommen empfing uns schon eine Aibo Spielwiese mit zahlreichen Zuschauern darum. Auf der Vorführfläche standen zwei Aibos, die faul neben einem Ball saßen. Prompt begann die Performance durch eine schick gekleidete Japanerin in Sony-Uniform. "Das ist Aibo, der Entertainment Roboter der zweiten Generation,....." lernten wir, um fortan das Wort Plastikhund nicht mehr benutzen zu müssen. Aibo ist ca. 30cm lang, hat vier Beine, einen Schwanz, eine Kopf mit zwei Ohren und ein Schnauze - alles beweglich, wie bei einem echten Hund.

Da er ja auch einen echten Hund "ersetzten" soll, kann er auch auf Kommandos hören. Wenn man ihm sagt, er soll aufstehen, tut er das genauso, als wenn man ihm befiehlt den Ball zu kicken. Den rosa Ball erkennt er durch die in der Schnauze eingebaute Kamera. Sagt man "danze" (japanisch für dance) dann beginnen die Lampen der Augen zu blinken und der Hund tanzt. Der Clou ist aber, das Aibo autonom agiert und lernfähig ist. So hört er auf einen Namen, dem man ihn gibt und führt eben die Befehle aus (komischerweise hießen alle Vorführhunde immer noch Aibo). Damit er auch ein Feedback verarbeiten kann, hat er mehrere Sensoren, z.B. auf dem Kopf, unter der Schnauze und auf dem Rücken. Wenn man diese Stellen "schlägt" bzw. drückt, merkt sich Aibo das und verändert sein Verhalten unter Umständen. Streichelt man ihn, freut er sich und merkt sich, dass seine Taten gut waren. Nun ja, soweit so gut. Für Kaufinteressierte sei noch mitgeteilt, dass Aibo 1 noch 5000 DM kostete, die 2nd Generation nur noch 3000-4000 (je nach Ausstattung).

Über so ein Spielzeug mag man denken, was man will, das eigentlich interessante war das Umfeld, wie reagieren die Zuschauer (Japaner) darauf?

Sehr gut würde Sony sagen: Alle wollten streicheln und mit Aibo sprechen. Besonders nett fand ich es, wenn die Japanerinnen "Aibo, swate" dem Entertainment Roboter ins Ohr säuselten. Ich konnte es kaum glauben, in mitten der spielwütigen Japaner standen zwei Frauen, die ihren Aibo 1 auf dem Arm hatten. Natürlich adäquat gekleidet mit speziellen Sony-Klamotten. Die eine Frau schien regelrecht süchtig nach mehr: in der zweiten Hand hielt sie die Sony-Videocamera, mit der das ganze Spektakel aufgezeichnet wurde und anschließend wurde Aibo 1 zwischen den Aibo 2 mit der Sony Digitalkamera fotografiert - so stellt sich die Industrie doch vorbildliche Kunden vor!

Was mich aber viel mehr erstaunte war, dass diese Emotionsroboter offensichtlich großen Anklang fanden. Besonders auffällig war dabei, dass die Mehrzahl der begeisterten Streichler Frauen waren! Der Zeitungsartikel konnte wohl nicht ganz falsch liegen - der Markt für saubere Kuschelroboter muss sich lohnen.

Auf dem Heimweg war ich noch in einem normalen Kaufhaus, um meine Eindrücke zu verifizieren: wieder standen viele Frauen um die Aibo-Spielwiese und eine Nachfrage ergab, dass gleich am ersten Tag ca. 50 Aibos bei Takashimaya (Kaufhaus) verkauft worden waren.

Da ist es fast unnötig zu erwähnen, dass Aibo auch in den Nachrichten eine ausführlicher Bericht gewidmet wurde - Aibo ist übrigens auch in Deutschland verfügbar!

Durch die Aibo-Erlebnisse sensibilisiert sah ich im Fernsehen am Donnerstag schon wieder Roboterberichte, diesmal von Honda. Durch den Roboterexperten in unserer Gruppe, hatte ich am Freitag die Gelegenheit, die ROBODEX 2000 zu besuchen.

Wir fuhren also nach Yokohama zur Roboter Exhibition ROBODEX 2000. Dort wurden wir schon von zahlreichen gutaussehenden Hostessen in roboter-likem Kunstofflook begrüßt, bevor wir die Halle betreten konnten. Dort kam ich mir vor, als hatte ich das Herz der Knopf-Hoff-Show erreicht. Überall bewegte sich etwas und wurden Videos von Robottern gezeigt, die man vor lauter Menschentrauben selbst kaum sehen konnte.

Interessanterweise war der Flair ganz anders als ich ihn erwartet hatte. Nicht die Informatik- und Technikbastler mit Sandalen bestimmten das Bild, nein alle waren japanisch adrett gekleidet und auch die Experten der verschiedenen Universitäten, die mit Stolz die neuesten Entwicklungen präsentieren waren selbstredend im Anzug, da kamen wir uns mal wieder fast "underdressed" vor. Auch schien das Publikum wieder bunt gemischt und der allgemeinen japanischen Technikbegeisterung folgend aus Leuten wie "Du und ich" zu bestehen, der Frauenanteil war wie überall auch, für eine Robottermesse also erstaunlich hoch.

Natürlich war auch Sony wieder mit zahlreichen Aibos vertreten, die kaum zu erreichen waren, so intensiv beschäftigten sich die Besucher mit ihnen. Sony nutzte die Gelegenheit um ihren SDR - Sony Dream Robot vorzustellen, ein menschenähnlicher Roboter, der auch etwas tanzen konnte - interessant, wegen der Probleme mit der Gewichtsverlagerung.

Im Mittelpunkt der Robodex stand aber Honda mit einer entsprechend großen Roboter-Spielwiese, auf der "Asimo", die neueste Entwicklung stündlich vorgestellt wurde. Mit 1,20 und 43 kg zwar sogar gegenüber einem Japaner klein (die Moderatorin trug zu allem Überfluss trotzdem Schuhe mit dicken Sohlen), doch sehr beweglich. Asimo agiert zwar nicht autonom, sondern nur auf Fernsteuerung, doch dafür hat er einen sehr guten Bewegungsablauf, der nur noch wenig mit den ruckartigen Bewegungen zu tun hat, die wir von Robotern ja fast erwarten. Honda ist damit führend in der Robotermechanik. Auch sein Vorgänger "P3" wurde präsentiert, der sogar Treppen hinabsteigen kann, doch wurde er unten dann ganz uncharmant wieder an den Haken genommen. P3 ist zwar menschengroß, doch etwas übergewichtig: 210 kg.

Auf jeden Fall war es sehr lustig zu beobachten, wie die Roboter-Begeisterten Zuschauer schon eine halbe Stunde vor der Präsentation geduldig warteten, ohne dass eine Chance bestand, die Roboter wirklich zu sehen, dazu warteten einfach zu viele. Zum Glück gab es große Videowände. So haben die Korrespondenten von www.grieger.net keine Mühe gescheut, um für die hungrigen Leser in Deutschland ein paar aussagekräftige Bilder zu erhaschen, schließlich ergab das Gespräch mit dem Honda-Pressesprecher: Ziel sei es den Menschen im Haushalt zu helfen, besonders die Altersversorgung (in Japan noch drängender als in Deutschland) sucht nach intelligenten Lösungen - das geht uns alle an!

Die Japaner, die nicht solange warten wollen, bis die großen, hilfreichen Roboter bezahlbar sind, trösten sich schon mal mit einem ca. 15 cm großen Insektenroboter oder auch einfach nur einem Poo-chi. Diese Produkte sind sicher auch in Deutschland bereits im gutsortierten Roboterhandel erhältlich.

 
Hier gibt es die Bilder zur Geschichte.

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