Inside Tokyo #7b

12.02.2001 

Skiing Tokyo!
 
Wieder in Tokyo angekommen begann hier voll die Weihnachtstimmung. Dazu nur soviel: Auch wenn Weihnachten nicht gefeiert wird, verstehen es die japanischen Kaufhäuser meisterlich, durch Dekoration ein weihnachtliches Flair zu erzeugen. Und was gehört noch zu Weihnachten? Eigentlich Schnee. Den gibt es hier eher selten, obwohl wir diese Jahr schon vier Tage hatten, an denen alles mit zehn Zentimetern überzuckert war. Sofort scheint der Verkehr zusammenzubrechen oder jedenfalls reden alle davon. Alle Busse, LKWs, viele Autos und sogar Motorräder fahren mit Schneeketten rum, im Fernsehen gibt es Sondersendungen von den Bahnhöfen, nur weil der Shinkansen heute 20 min Verspätung hat! Nun, ich habe es genossen, denn zufälligerweise schneite es immer samstags, als ob der Wettergott ein Japaner wäre.

Nun komme ich aber eigentlich zur Hauptsache, von der ich berichten wollte. Um etwas mehr in Winterstimmung zu kommen, dachte ich laut über Skifahren nach, was sich dann doch leichter umsetzen lies, als zunächst gedacht. So fuhr ich eine Woche vor Weihnachten mit einer Freundin (Yukiko) nach/zu "Saus". Dahinter verbirgt sich der Skidome mit dem Namen SSAWS - Spring Summer Autumn Winter Snow - Skifahren in der Halle also. Eine Station hinter Disneyland, also ca. eine Stunde fahrt von Shinjuku entfernt, erhebt sich neben der Bahn ein etwas seltsam anmutendes Stahlgerüst, das aussieht wie ein Gebäude, das an einer Seite aufgebockt ist, während die Stützen auf der anderen Seite eingeknickt sind. Na ja, der Höhenunterschied er Piste von 80m lässt sich eben auch schon von außen erkennen. Die Länge der Piste ist mit 500m natürlich doch etwas bescheiden. Ja, ich weiß, es gibt solche Hallen nun auch in Deutschland, aber ich glaube die japanische Organisation war es, die diesen Tag zu einem besonderen Erlebnis werden lies. Am Eingang bezahlten wir 5400 Yen (ca. 110 DM von der Kaufkraft her aber 54 DM) und erhielten einen Magnetchip, liebevoll Chiketto (für Ticket) genannt. Damit brauchten wir in der ganzen Anlage kein Bargeld mehr. Bei der Kleiderausgabe mussten wir also nur unser Chiketto vorzeigen, schon erhielten wir eine Art Skitasche, in der ein kompletter Skianzug, eingeschweißte Skiunterwäsche und Handschuhe waren. Alles frisch gewaschen - die gigantische Wäscherei ist schließlich gleich im Hause. Den Pfeilen auf dem Fußboden folgend gingen wir zur Umkleidekabine, wo viele Japaner auch Ihr eigenes Equipment in Schließfächern "geparkt" hatten. Nach einem Ebenenwechsel bekamen wir - wieder unter Verwendung unseres Chikettos - die Schuhe. Da wir schon morgens gekommen waren, war es uns vergönnt, Snowboard zu fahren. Nachdem wir unsere Schuhe in den Extra-Schuhschließfächern deponiert hatten, holten wir die Snowboards ab. Bis dahin waren wir immer nur neue Wege von einer Station zur nächsten gelaufen, wie auf einer imaginären Perlenketten hatte wir uns durch mehrere Stockwerke bewegt. Dann sagte Yukiko zu mir "Eiko-san ima Gelände e ikimasu." Ich wusste nicht so recht, was sie meinte. Diese Mischung aus Japanisch und Deutsch kam mir doch eher spanisch vor, zumal Yukiko eigentlich kein Deutsch spricht und ich dachte, ich hätte das Wort "Gelände" gehört. Auf meine Nachfrage übersetzte sie dann "Gelände" mit Skigebiet. Ich war verdutzt, lernte ich doch, das Skigebiet im Japanischen immer "Gelände" genannt wird! Und weil mir das so gut gefiel habe ich auch gleich ein Foto davon gemacht, das mit all den anderen Bildern zu diesem Bericht unter http://www.grieger.net/fs/fs-winter.htm abrufbar ist. Und schon stand ich vor dem "Gelände". Der Erste Eindruck glich mehr einer riesigen Konzerthalle, die zur Hälfte mit Schnee gefüllt war. 100m Breite, an beiden Seiten Sessellifte und rechts noch eine Art Rolltreppe für Anfänger sollten also das Skivergnügen möglichst angenehm gestalten. Für mich war es das erste Mal auf einem Snowboard, da schien diese Umgebung wie geschaffen für mich. Kaum hatte ich den ersten Eindruck verarbeitet, musste ich schon wieder lachen: An dem Eingang zum Sessellift, wo wir aus Europa eigentlich nur ein automatisches Gatter kennen, stand rechts daneben eine lächelnde Japanerin im perfekten "Descente"-Skianzugmantel und begrüßte jeden einzeln durch das Mikrofon mit den Worten "Hai dozou", was soviel heißt wie "Ja, bitte". Dies aber in der für japanischen Service typischen Tonlage, die wir eher als schrill empfinden. Man kann es nicht recht beschreiben, wer schon mal in Japan war, wird sich erinnern. Schnell warf ich meine verblasste Erinnerung an die eher mürrischen und rauhen Helfer über Bord, die ich aus Europa kannte, als mir beim Einbügeln dann nochmals ein lächelnder Japaner bzw. eine Japanerin half, gleichfalls in der Descente-Uniform gekleidet, die auch eine fesche Mütze umfasst. Oben angekommen stand also meine erste Abfahrt auf dem Snowboard an, zum Glück gibt es in "Saus", wie die Japaner sagen, nur eine blaue und eine rote Piste, die Neigungswinkel sind groß an den Seiten aufgemalt. Erstaunlicherweise klappte das alles recht gut und machte riesigen Spaß. Natürlich fiel ich unzählige Male hin, doch daran führt wohl kein Weg vorbei. Das ganze wurde beschwingt durch Musikuntermalung - wieder ein neuer Eindruck. Ich habe mir aber sagen lassen, das man hier auch in den "Outside-Geländes" Musik hört zum Skifahren. Um 13 Uhr sollten wir dann die Piste verlassen, denn vormittags fuhren ALLE Snowboard, nachmittags sollten wir ALLE Ski fahren, in der Gruppe ist es eben doch am schönsten. Für mich schien das genau richtig, denn meine Kräfte schienen doch etwas zu schwinden.
Wir machten eine Pause in einem der Restaurants, die alle Blick aufs Gelände gewährten. Dort bezahlte man auch nur mit dem Chiketto, endlich verstand ich, warum der Skianzug nur eine kleine Tasche hatte. Für Pausen gab es auch eine Ruheraum, der wieder ganz nach japanischen Vorstellungen traditionell designed war.
Nachmittags fuhren wir dann Ski, die Piste schien plötzlich wesentlich kürzer und die Abfahrten gingen immer schneller. Immerhin hatten wir es bis 19 Uhr ausgehalten, die Zeit war wie im Fluge vergangen. Als wir wieder gingen, konnten wir aber beobachten, wie sehr viele Japaner - vermutlich nach der Arbeit - in den Umkleidekabinen Ihre Kleider vom Leib rissen um noch bis 21:30 Uhr den Feierabend zu genießen!
Was insgesamt aber auffiel war, dass sehr viele Japaner mit eigener Skiausrüstung unterwegs waren, und da war mal wieder das Feinste gerade gut genug. Bei der Bekleidung schienen Trikots von diversen europäischen Skinationalmannschafteen besonders populär zu sein. Allenthalben sah man Swiss-Ski-Team oder auch österreichische Aufdrucke auf den Jacken. Ich fahre zwar schon einige Jahre Ski, aber im Vergleich zu den Japanern kam ich mir wie ein blutiger Anfänger vor, es schienen mal wieder nur Perfektionisten am Werk zu sein, die dazu auch noch immer lächelten, was ein ungemein positives Flair erzeugte. So wurde dieser Tag für mich zu einem einmaligen Erlebnis. Wer überlegt, auch mal dorthin zu gehen, kann sich vorab unter http://www.ssaws.com/livecamera/index.html ein paar Livebilder ansehen.

 
Hier gibt es die Bilder zur Geschichte.

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