Inside Tokyo #7c

12.02.2001 

Shoogatsu - Jahresbeginn in Japan
 
Nachdem ich über Weihnachten in Deutschland gewesen war, konnte ich dennoch die Jahresbeginnfeierlichkeiten hier in Japan miterleben, denn es gibt nicht nur einen freien Tag, nein drei Tage wird Neujahr gefeiert - während dieser Zeit sind die Geschäfte auch fast alle geschlossen und ich erkannte mein Tokyo gar nicht wieder, so still und beschaulich war es mitten im Zentrum. Alle Menschen pilgern zu den Tempeln und Shrinen um den Ahnen zu gedenken und Glück fürs neue Jahr zu erbitten. Dies Taten in diesem Jahr übrigens fast 90 Millionen (von 120 Millionen Einwohnern Japans) - das ist Rekord -, was die Ökonomen gleich zu dem Schluss brachte, diese Jahr wird ein schlechtes Jahr, wenn schon so viele Menschen zu den Tempeln strömen. Auch ich habe die Rituale beim Asakusa Senso-ji mitgemacht, wie auf den Bildern zu sehen ist. 2001 ist übrigens das Jahr der Schlange. Zwar feiern die Japaner nicht Weihnachten, dafür stehen die Feierlichkeiten zu Neujahr im Mittelpunkt. Auch schreibt man an alle seine Bekannten Neujahrskarten, so dass in der Weihnachtszeit hier große Emsigkeit ausbrach. Auf allen Karten sollte natürlich irgendwie eine Schlange abgebildet sein. Wegen der rechtzeitigen Zustellung brauch man sich übrigens keine Sorge machen. Die Post verändert Anfang Dezember die Aufteilung der Briefkästen. Was vorher noch Tokyo einerseits und Andere Ziele auf der anderen Seite war, ist nun Neujahrspost und normale Post. Die Neujahrspost wird gesammelt und pünktlich im Neuen Jahr ausgeliefert. Da kann die Deutsche Post fürs Weihnachtsgeschäft noch was lernen, denn das System funktioniert perfekt!

Am 8. Januar war dann auch noch Coming Of Age Day, das ist der Feiertag für die Volljährigkeit, die hier übrigens mit 20 Jahren erreicht wird. Aus diesem Anlass treffen sich alle, die im letzten Jahr 20 geworden sind zu einer Art "Klassentreffen" oder pilgern zum Meji-Shrine. Mit ein paar Freunden bin ich also auch zum Meji-Shrine gegangen, wo wir den Anblick zahlloser Mädchen in Kimonos genießen konnten. Die Besinnung auf alte Traditionen wurde auch nicht dadurch getrübt, dass die Damen andauern - so schien es zumindest - mit Ihren Keitais (Handys) mit Freunden Kontakt hielten. Das Frauen im Kimono ein schönes Fotomotiv abgeben, weiß wahrscheinlich auch jeder, der noch nicht in Japan war, gehört es doch zu den typischen Japanmotiven. Derer wurden an diesem Tag wieder zahlreiche geknipst, denn es schien, als seien sämtliche Hobbyfotografen auf der Suche nach dem schönsten Kimono. Auch hier sei wieder auf die Bilder unter http://www.grieger.net/fs/fs-winter.htm verwiesen, die einen viel authentischeren Eindruck gewähren, als es meine Wenigkeit hier darstellen kann.

In diesen freien Tagen habe ich auch noch einen Ausflug nach Hakone, einem der drei Tagesausflugsziele in der Umgebung von Tokyo, gemacht. Dort ist eine sehr nette Mittelgebirgslandschaft zu sehen, die bekannt ist für zahlreiche und schöne Onzen. Damit sich die Japaner ihren Europäischen Vorbildern in Sachen Bergen näher fühlen, fährt man erst mit einer Bahn, die komplett im Design der Rhätischen Bahn aus Graubünden (Schweiz) ist. Mir ist noch nicht klar, ob es wirklich ein schweizer Zug ist oder doch nur wieder ein Nachbau, sind doch alle Beschriftungen im Führerstand komplett japanisch. Innen jedenfalls hängt ein Messingschild aus St. Moritz! Anschließend würde sich eine Seilbahntour anschließen, die dann wieder zu einem See führt, auf dem man mit Piratenschiffen nachempfundenen Schiffen fährt. Auch ein Mississippi-Dampfer ist vorhanden. Nun stellt man sich am Ufer noch ein klassisch japanisches Torii (so nennt man die Tore mit dem Doppelbalken oben) und den Fuji-san im Hintergrund vor - das ist Japan!

Nun noch zu einem ganz anderen Vergnügen. Neulich erreichte mich eine Mail, in der die Beleuchtungsfirma ERCO für Ihren Lichtreport über den Konferenzbereich der Deutschen Bank in Tokyo noch Leute für ein Foto-Shooting suchte. So ging ich also letzten Samstag um 11 Uhr zur Deutschen Bank um einen Banker zu miemen. Für ein Vermögen, und damit meine ich hier ein großes Vermögen hatte sich die Deutsche Bank einen neuen Konferenzbereich geleistet. ca. 20 Konferenzräume mit allen technischen Spielereien, die wir aus James-Bond-Filmen kennen bestückt. Eine interessante Innenarchitektur mit schrägen Wänden aus hellem Stein, kombiniert mit Holz in passenden Farbtönen. Schiebetüren, die auf Knopfdruck reagieren, Glaswände, die auf Knopfdruck undurchsichtig werden, usw. So spielten wir zu acht den ganzen Nachmittag, als würden wir Milliarden verschieben, drückten Knöpfchen, ließen Rednerpulte aus der Wand fahren, sahen Fußball in einem Videokonferenzraum und wurden immer schön fotografiert. Das war ein Heidenspaß und setzte wieder neue Ziele fürs Leben! Zwar ist die Deutsche Bank nur im 19. Stock des Sanno-Park-Tower in Akasaka - NTT DoCoMo beginnt erst im 27. Stock nach oben - doch wurden wir abends zu einem feudalen Abendessen in den 27. Stock eingeladen. In einem modernen japanischen Restaurant, das nur spärlich beleuchtet war, dafür aber einen fantastischen Blick auf die Umgebung gewährte, genossen wir fast alle Highlights der japanischen Küche auf höchstem Niveau zubereitet. Die Stimmung war prächtig, die Mägen noch nie so voll und die Rechnung für 8 Leute mit ca. 2400 DM selten so hoch.

Und was macht der Alltag? Nun, ich gehe tapfer zur Schule, nächste Woche steht wieder ein großer Test an, schriftlich und mündlich. Letzte Woche haben wir täglich eine neue Verbform gelernt: Passiv, Kausativ, Kausativ-Passiv, Wenn-Sätze, da raucht der Kopf doch ganz beträchtlich und die Fehlermöglichkeiten scheinen sich zu potenzieren. Bleibt die Hoffnung, das das alles auch bald in den aktiven Wortschatz übergeht, dann wäre ich schon richtig glücklich. Kanjis und Vokabeln trainiere ich inzwischen am Computer und die Nachmittage vergehen damit schneller als ich hinsehen kann. Ungefähr einmal im Monat veranstalten wir eine New Sky Party, mein Mitbewohner Shu-san nennt mich nur noch Dokuta-Patii. Dabei kommen erfreulicherweise immer sehr viele Leute und irgendwie fällt uns auch immer noch was Neues ein. Bei der Weihnachtsparty haben wir jede Menge Glühwein gemacht und die 100-Yen Weihnachtsbäume (ca. 2 DM) sorgten doch für gute Stimmung. Nach der Neujahrsparty im Januar steht nun die Karneval-Party ins Haus. Inzwischen sind meine Kollegen Jörg und Mahoko auf der anderen Seite des 13. Stockes eingezogen, so dass es hier im Haus noch lustiger ist, als ohnehin schon. Seit einer Woche haben wir die Computer zu einem LAN vernetzt, so können wir uns nicht nur virtuell "treffen", sondern über meinen ADSL-Anschluss hat auch jeder unbegrenzten Zugang zum Internet. Bei 1,5 Mbit/s sehe ich z.B. morgens die Tagesschau aber auch N-TV, N24 und Big Brother sind möglich. Von den heimischen Radiosendern ganz zu schweigen.

 
Hier gibt es die Bilder zur Geschichte.

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